Appell an das Europaparlament zum Ende der Weihnachtszeit
Beim digitalen Großprojekt der EU für die nächste Dekade Verbraucherschutz und fairen Wettbewerb nicht unter die Räder kommen lassen
Berlin, 05.01.2022. Auch zu diesem Weihnachtsfest haben wieder viele gefälschte Produkte unter dem Weihnachtsbaum gelegen. Familienangehörige, Freunde oder Partner, die Corona bedingt online auf der Suche nach einem Geschenk waren, werden unwissentlich diese Waren bestellt haben. Denn die kriminellen Fälschungsverkäufer wiegen sie mit dem Vertrieb ihrer Produkte über seriöse Plattformen in vermeintlicher Sicherheit.
Die EU-Institutionen haben diese Problematik erkannt und wollen mit dem Digital Services Act (DSA) das Internet für Verbraucher sicherer gestalten. Jetzt kommt es darauf an, dass alle gesetzlichen Maßnahmen die Verbraucher und Hersteller auch tatsächlich vor Onlinefälschungsverkäufern schützen. Dazu dürfen drei wesentliche Bestandteile während der letzten Verhandlungen im Europäischen Parlament nicht unter die Räder geraten:
--i Verbraucherschutz ist nur dann effektiv, wenn die dringend notwendigen Sorgfaltspflichten in Bezug auf illegale Produkte, zu denen auch Fälschungen gehören, für alle Onlinehandelsplattformen gelten.
--ii Verbraucher müssen sich auf allen Onlineplattformen, über die Fälschungskäufe stattfinden können, auf die angegebene Identität der Händler verlassen können.
--iii Es muss sichergestellt sein, dass einmal identifizierte und gelöschte Fälschungen nicht wieder hochgeladen und angeboten werden können.
Für entspanntes Online Shoppingvergnügen mit verringerter Bedrohung durch illegal agierende Händler können die Europaabgeordneten in der Plenarsitzung der nächsten Woche die entscheidenden Änderungen vornehmen.
Effektiver Verbraucherschutz und faire Wachstumschancen erfordern, dass kleine und mittlere Online-Handelsplattformen (KMU-Plattformen) im Hinblick auf die Sorgfaltspflichten keine Sonderrechte erhalten. Denn Fälschungsverkäufer nutzen jedes Schlupfloch, um ihr kriminelles Geschäft zu betreiben. Werden Fälschungsverkäufe nur auf großen Plattformen erschwert, da diese sich an Sorgfaltspflichten halten, werden die Fälschungen eben auf KMU-Plattformen vertrieben – und dann dort ein Risiko für arglose Verbraucher darstellen.
Die aktuell geplante Bevorteilung von einigen wenigen KMU-Plattformen würde zudem die viel größere Zahl kleiner und mittlerer Hersteller-Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil zufügen und erhebliche finanzielle Schäden durch Fälschungsverkäufe aufbürden. Die Idee, eine relativ kleine Zahl von KMU-Plattformen zu entlasten und damit gleichzeitig die relativ große Anzahl an KMU-Herstellern zu belasten, würde zu einer bedeutenden Beeinträchtigung des Binnenmarktes führen.
Markenunternehmen haben ein Eigeninteresse, dass KMU-Plattformen jede Unterstützung dabei verdienen, erfolgreich in einem fairen Wettbewerb zu wachsen. Das muss aber genauso für die KMU-Hersteller-Unternehmen gelten und darf die KMU-Plattformen nicht von ihren Pflichten zum Schutz vor den Machenschaften krimineller Fälschungsverkäufer entbinden. Denn Deutschland ist und bleibt das Land der kleinen und mittleren Unternehmen.
Eine weitere wichtige Stellschraube im Hinblick auf effektiven Verbraucherschutz ist, die häufig bestehende Anonymität von Anbietern auf Plattformen zu beenden. Dazu muss das „Know Your Business Customer“- Prinzip (KYBC) auf alle Plattformarten ausgeweitet werden, auf denen illegale Verkäufe stattfinden können. Es ist nicht fair, sich einzig auf Transaktions-Plattformen zu fokussieren. Der entscheidende Aspekt muss sein, dass eine Plattform die Vermarktung illegaler Produkte ermöglichen kann – denn die Verbraucher sind schon lange nicht mehr nur auf den klassischen Onlinemarktplätzen gefährdet. Ausdrücklich begrüßt der Markenverband das Engagement namhafter Online-Handelsmarktplätze, das ungesetzliche Treiben der Fälscher zu blockieren und hofft gleichzeitig, das weitere dem guten Beispiel folgen. Die Europaabgeordneten müssen der Gefahr auf den anderen Plattformtypen, wie bspw. Intermediären, klar ins Auge sehen und mit einer Ausweitung des KYBC im vorliegenden Gesetzesvorschlag entsprechend bekämpfen.
Eine weitere notwendige Änderung ist, dass Verbraucher vor dem wiederholten Anbieten von Fälschungen durch denselben Anbieter geschützt werden. Es ist offensichtlich, dass effektiver Schutz der Konsumenten nur dann möglich ist, wenn einmal identifizierte Produkte nicht wieder hochgeladen werden können. Dazu braucht es die Einführung einer Verpflichtung, das sogenannte Prinzip des „Stay Down“. Aber auch dieses wichtige Sicherheitserfordernis findet derzeit nicht die nötige Zustimmung. Das Schüren von Ängsten im Hinblick auf die Nutzung von Künstlicher Intelligenz führt aktuell leider nur zur Verwirrung und Stillstand – konkret bedeutet dies, dass das Risiko für die Verbraucher bestehen bleibt.
Kurzum: Die Beratungen im Europaparlament haben gut begonnen – mit den Zielen des DSA im Auge. Im Laufe der Diskussionen haben bedauerlicherweise anscheinend andere Prioritäten die Oberhand gewonnen.
Das Europaparlament hat im Januar noch die Chance, sich klar zu wirkungsvollem Verbraucherschutz online und fairem Binnenmarkt zu bekennen – es sollte sie nun auch ergreifen!