Das geplante Kinderlebensmittel-Werbe-Gesetz sieht ein weitreichendes Werbeverbot für 60 bis 70 % der Lebensmittel in nahezu allen Medien vor. Es ist faktisch ein Lebensmittelwerbeverbotsgesetz. Diese „Mogelpackung“ lehnen wir ab, weil sie massive Einnahmeverluste für Medien und andere von Werbung und Sponsoring Abhängige zur Folge hätte, z.B. Sportvereine.
Markenverband setzt sich für gesunde Ernährung ein - aber gegen Werbeverbote
Ende Februar 2023 hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) einen Gesetzesentwurf vorgelegt, wonach „an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in allen für Kinder relevanten Medien“ verboten werden soll. Das BMEL begründet den vorgelegten Entwurf dabei nicht nur mit dem Ziel, Kinder gesünder zu ernähren, sondern auch damit, dass eine entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag festgehaltenen sei.
Doch stimmt das so?
Richtig ist, dass die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass es „Werbung für „HFSS“ Lebensmittel an Kinder unter 14 Jahre in Sendungen und Formaten in Zukunft nicht mehr geben soll“. Allerdings kann auf Basis dieser Vereinbarung nicht das vorgelegte Werbeverbot begründet werden. Denn dieses geht weit über die Vereinbarung des Koalitionsvertrages hin. Anders als vom BMEL kommuniziert und anders als es die Überschrift des Gesetzes („Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz“) suggeriert, regelt der vorliegende Entwurf ein Verbot der Bewerbung fast aller Lebensmittel, die nicht den WHO-Kriterien entsprechen.
Dabei umfasst die Regelung nicht nur an Kinder gerichtete Werbung, sondern Werbung gegenüber allen Verbrauchern, sobald Kinder diese wahrnehmen können. So sieht die Regelung zeitlich weitreichende Werbeverbot im Fernsehen vor für Lebensmittel, die nicht einer strengen, im Entwurf enthaltenen Anlage entsprechen, die in weiten Teilen die Anforderungen der WHO Nutrition Profile übernimmt. Faktisch würde dies ein Totalwerbeverbot für ca. 60 bis 70% der Lebensmittel bedeuten.
Gesunde Ernährung ja - Werbeverbote nein!
Das Ziel für eine gesündere Ernährung von Kindern und Jugendlichen ist wichtig und richtig. Der Markenverband und seine Mitglieder teilen dieses Ziel und wollen es selbst vorantreiben. Der Weg dahin führt aber nicht über Werbeverbote.
Marken brauchen eine offene Kommunikation zum Verbraucher, damit sie diesen ihre Innovationen näherbringen können. Die Beziehung zum Verbraucher ist für Marken unerlässlich. Wenn dieser Kontakt eingeschränkt wird, können Marken ihren positiven Beitrag für die Gesellschaft nicht leisten (u.a. im Kontext Nachhaltigkeit, Transformation, Innovation). Sollten die Unternehmen ihre Produkte und Angebote dem Verbraucher nicht mehr kommunizieren dürfen, würden dringend erforderliche Innovationen unterbleiben.
Werbeverbote auf Kosten der Medienvielfalt
Auch das Interesse am Erhalt der Medienvielfalt spricht gegen das vorgeschlagene Werbeverbot. Im Auftrag des Markenverbandes hat der Wirtschaftsökonom Prof. Dr. Justus Haucap ein Gutachten zu den ökonomischen Wirkungen des geplanten Werbeverbots erarbeitet. Danach würden 74 Prozent der Bruttowerbeumsätze mit Lebensmitteln künftig entfallen. Das entspreche einem Bruttowerbeverlust von rund drei Milliarden Euro, die nicht kompensiert werden könnten.
Dies hätte gravierende Auswirkungen, die dies vor allem für die privatwirtschaftlich finanzierten Medien treffen würde, die bis zu 16 Prozent ihres Gesamtbudgets über Lebensmittelwerbung generieren. Ein erhebliches Mediensterben in Deutschland könnte drohen, das zu einer massiven Schwächung der Medienvielfalt und zu einer weiteren Erosion des Journalismus führen würde.
Werbeverbote führen nicht zum beabsichtigten Ziel - Bildung schon
Deutschland hat die Vorgaben der europäischen Richtlinie über audiovisuellen Mediendienste zur inhaltlichen Begrenzung der Lebensmittelwerbung gegenüber Kindern im Medienstaatsvertrag vollständig umgesetzt. Die Ausgestaltung und Überwachung der Vorgaben erfolgt im Wege der Selbstregulierung der Branche durch den Deutschen Werberat. Zum Juni 2021 wurden diese Verhaltensregeln nochmals verschärft, um unter-14-jährige vor inhaltlich unangemessener Lebensmittelwerbung zu schützen.
Die Einhaltung dieser Regelungen wird vom Deutschen Werberat überwacht. Die Zahlen des Werberates belegen dabei: die Selbstregulierung funktioniert. Das Ziel, Kinder zu einem gesunden Lebensstil anzuhalten und wirksam Übergewicht zu bekämpfen, wird von den Lebensmittelunternehmen geteilt. Diese wollen hier vorangehen und ihren Beitrag zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung leisten.
Der Ansatz muss aber ein „Kinder-Gesundheitspakt für Deutschland“ sein: Es braucht neben der Werberegulierung eine wirksame Aufklärung, gute Ernährungsbildung und Bewegungsangebote für Eltern und Kinder, es braucht einen Multi Stakeholder-Ansatz. Darin müssen Konzepte für Schulen (Ernährungserziehung), Sportvereine, Medien, Handel und Wirtschaft etc. enthalten sein. Die Wirtschaft hat schon einmal an einem solchen Modell („Plattform Ernährung und Bewegung“ kurz „peb“) mitgearbeitet und ist bereit, dies wieder zu tun. Werberegulierung ja, Verbote, die mehr Flurschaden anrichten, als im Ergebnis zu bewirken, aus Sicht des Markenverbandes nein.
Derzeit sind sich die Koalitionsparteien nicht einig über den vom BMEL vorgelegten Entwurf. Während Bündnis 90/Die Grünen den Entwurf „ihres“ Ministers unterstützen, wird der Entwurf von Seiten der FDP als nicht zielführend und nachbesserungswürdig abgelehnt. Auch innerhalb der SPD mehren sich die kritischen Stimmen, die zum Nachdenken anregen und eine Überarbeitung des Entwurfes befürworten.
Der Markenverband begleitet das Vorhaben intensiv und stimmt sich mit den betroffenen Branchenverbänden eng ab. Dabei steht der Markenverband immer für konstruktive inhaltliche Gespräche zur Verfügung und lädt ein, gemeinsam ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, das Kindern hilft, sich nachhaltig gesund zu ernähren, ohne dass unkalkulierbarer Flurschaden entsteht.